Lokoalpolitiker (SSW) fordert theosophisch-autokratische Strukturen (05.2018)

Im Jahre 2011 hat Uwe Ehrich, Lokalpolitiker des SSW, einen demokratieunterminierenden Text veröffentlicht. – Ist das jetzt noch wichtig? Schließlich gibt Uwe Ehrich dieser Tage aus Altersgründen sein Amt als Leiter des Ausschusses für Schule, Kultur und Sport auf. Er bekennt sich jedoch weiterhin dazu, sich für die Stadt engagieren zu wollen. Das ist unter diesen Umständen bedenklich.

Uwe Ehrich bezieht sich in seinem Aufsatz auf Thomas von Aquins Text „Über die Herrschaft der Fürsten“, der sich wiederum auf Aristoteles‘ Politik bezieht. Schon in seinem ersten Satz betont Uwe Ehrich die Aktualität des dort aufgezeigten Weltbildes, das die Königsherrschaft über die Demokratie stellt. Uwe Ehrich kommt zu dem Schluss, dass uns insbesondere das Modell einer biblischen Königsherrschaft heute zwar „nicht zeitgemäß erscheinen [mag], ist aber nachdenkens- und bisweilen auch nachahmenswert in bezug auf kleinere Gemeinschaften wie Kommune, Betrieb, Verein, christliche Gemeinde usw.“ Damit hebt Uwe Ehrich den historischen Kontext auf, in dem der Text von Aquin gedacht werden muss. Er verstößt damit gegen die Sozialadäquanzklausel des Grundgesetzes, die in Bezug auf einen solch historischen Text aufklärerische Arbeit verlangt. Uwe Ehrich richtet sich mit seiner Handlungsanweisung gegen die kleinsten Einheiten der Demokratie, indem er die autoritäre Struktur insbesondere in Kommunen und Vereinen über die demokratische stellt. Um der Machtfalle, dem Machtmissbrauch, zu dem solche Herrschaftsformen einladen, zu entgehen, appelliert Uwe Ehrich dann im weiteren Verlauf allein an die Selbstkontrolle des Autokraten – ein System, das den Alleinherrscher nur deshalb Gerechtigkeit empfinden lässt, weil alle kritischen Instanzen ausgeschaltet sind.

In einem ersten Diagramm, das Uwe Ehrich seinem Text beiordnet, liefert er dann auch sogleich den Beleg für das Scheitern seines Führungsmodells, erkennt dies jedoch aus genannten Gründen nicht und vollzieht stattdessen die Rechtfertigung der Tyrannis: „Um so mehr die Herrschaft des Heiligen Geistes die Herzen erfasst und Jesus Christus als Vorbild Gestalt annimmt und gegenwärtig ist, umso weniger besteht die Notwendigkeit für starre Leitstrukturen, in denen ein einzelner oder eine kleine Gruppe dominiert.“ Im Umkehrschluss heißt dies, dass dort, wo Jesus eben nicht mehr im Sinne des Herrschers gegenwärtig ist, dies eben doch mit „starren Leitstrukturen“ von einem Einzelnen oder einer kleinen Gruppe durchgesetzt werden muss.

Um in Uwe Ehrichs Leitsystem dennoch Gerechtigkeit und gerechtes Handeln jenseits aller Gewaltenteilung legitimieren zu können, führt Uwe Ehrich etwas ein, das er als die „geistliche Dimension“ bezeichnet. Dies ist Uwe Ehrichs Kontrollinstanz, die sich weder bei Aquin noch bei Aristoteles findet. Jene geistliche Dimension ist nun „nicht jedem Betrachter unbedingt sichtbar und verständlich“, räumt Uwe Ehrich ein. Den exklusiven Zugriff erhält aber derjenige, der im biblischen Sinne „reinen Gemüts ist“. Die Interpretation dessen, wer oder was reinen Gemüts ist, obliegt dabei unzweifelhaft dem Machthaber oder demjenigen, der diese Definition gemäß seiner eigenen Bibelinterpretation festlegen und gegen den Willen der Mehrheit durchsetzen kann. So entsteht laut Uwe Ehrich die Wahrnehmung und die Durchsetzung von Gerechtigkeit.

In einem zweiten Diagramm, das Uwe Ehrich seinem Text beifügt und das auf seinen eigenen Überlegungen zur „geistlichen Dimension“ basiert, weißt Uwe Ehrich u. a. die Demokratie als etwas aus, das vom Bösen regiert wird. Zum Vergleich: Aquin spricht lediglich von ungerechter Herrschaft. Bei Uwe Ehrich erfährt die Bewertung der Demokratie jedoch eine apodiktische Zuspitzung, wodurch die Demokratie nicht mehr als etwas erscheint, das sich überhaupt gestalten lässt, sondern über den Begriff „böse“ eine nun mehr kategorische Ablehnung erfährt. Die Unanfechtbarkeit dieser seiner Weltsicht untermauert Uwe Ehrich dann sogleich über ein Bibelzitat (Hesekiel 28), mit dem er alle faktisch begründbaren Gegenbehauptungen dann auch prophylaktisch als vom Bösen geblendet herabsetzt; denn folgt man Uwe Ehrichs Erläuterungen, kann die Bösartigkeit der Demokratie dem normalen Menschen auch gar nicht deutlich werden, da das Böse unter anderem in der Demokratie sich „nicht in seiner ganzen Dunkelheit zeigt, sondern sich verstellt als Engel des Lichts.“ Damit ist die Debattierfähigkeit von Uwe Ehrichs Weltsicht und seiner Handlungen außer Kraft gesetzt, weil sich die Qualität seiner angestrebten Handlungen eben nicht mehr am Nachvollziehbaren orientiert, sondern an jener „geistlichen Dimension“, die sich nur noch Uwe Ehrich selbst erschließt.

Uwe Ehrichs „geistliche Dimension“ ist der Spielraum für Willkür, der mit dem Namen Gottes kaschiert wird. Uwe Ehrich befragt den aquinschen Text allein auf die Durchsetzung von Machtansprüchen hin, die er über seine eigene Bibelauslegung zu rechtfertigen sucht. Damit wendet er sich auch gegen Aquin selbst, der ein Verfechter der Rationalität gewesen ist. Uwe Ehrichs Aufsatz fordert zum autokratischen Denken und Handeln in Kommunen und Vereinen auf. Seine Handlungsanweisung untergräbt demokratische Bestrebungen.

Meinung: Jener Text, der hier Kritik erfährt, ist immerhin von einem langjährigen Kommunalpolitiker des SSW verfasst worden, der auch noch in leitender Funktion zwischen 2013 und 2018 für den Bereich Schule, Kultur und Sport in der Stadt Husum verantwortlich war. – Nun sind Politiker auch Impulsgeber für die Bereiche, in denen sie tätig sind. Ein derartiges Denken, das den mündigen Bürger ablehnt, ist natürlich fatal für jemanden, der die Kultur einer ganzen Stadt repräsentiert. – Die Frage wird sein: Wie geht die Stadt heute mit derartigen Bestrebungen um? Welche Neuausrichtung erfährt die lokale Kulturpolitik in Bezug auf die Impulse, die Politiker in der Gesellschaft zu setzen vermögen? – Autoritäres Gehabe, patriarchale Ansprüche und egozentrische Entscheidungsgewalt gehören der Vergangenheit an. Notwendiger denn je ist der mündige Bürger, der über inhaltlich relevante Bildungs- und Kulturangebote in seinem konstruktiven Gestaltungswillen befördert wird.

J.-C. P. (05.2018)